Besteigung Matterhorn 20.08.1991

Die Vorgeschichte :
Das Matterhorn hat mich fasziniert seit ich lesen kann. Schon als kleiner Junge waren mir die Namen der Erstbesteiger geläufig. Edward Whymper, M.Croz, Taugwalder Vater und Sohn, Reverend Hudson, Lord Douglas, Robert Hadow:
Leider waren meine Kinder für Bergwandern nicht zu haben, sie sind lieber an die Adria oder Riviera gefahren, so dass ich erst später Gelegenheit hatte, meinen Traum zu verwirklichen.
Im Sommer 1990 waren mit unseren Bekannten in Täsch. Von dort aus hatte ich eine Tour auf das Breithorn ( so called „ Damen-4-Tausender „ ) gebucht und zu meinem Glück hatte ich einen sehr guten Bergführer, einer von der alten Sorte. Die Wanderung auf das Breithorn war wunderschön, aber es war eben nicht das Matterhorn. Auf der Rückfahrt in der Gondel habe ich ihn gefragt : „ Glauben Sie, das ich das schaffe ? „ Er schaute mich kurz an ( er hatte himmelblaue Augen ) undsagte:
Wenn Sie das wollen, schaffen Sie es
Von da an stand mein Entschluss fest : Ich gehe auf das Matterhorn.

Die Vorbereitung :
Im Sommer 1991 haben wir 3 Wochen Urlaub in Zermatt gebucht. Einer der ersten Wege ist zum Bergführerbüro. Ist es möglich ? Es ist. Aber mit einem Bergführer aus dem Engadin. Mir egal, Hauptsache es klappt. Den Kletterkurs buche ich gleich für die erste Woche. Er findet am Riffelhorn statt, einer Felsnase unterhalb von Gornergrat . Unser Bergführer, R. Lehner erklärt uns die Technik der Felskletterei, das Abseilen am Fels und diverse andere Sachen. Speziell das Abseilen macht mir großen Spaß
Das Wetter macht mit, wir haben den ganzen Urlaub über herrlichen Sonnenschein!

Die Ausführung
19.08.1991
Nach dem Mittag fahre ich mit der Gondel hinauf zum Schwarzsee. Von da sind es noch ca. 2-3 Stunden zur Hörnli-Hütte, die ich gegen 16:30 erreiche. Mein Bergführer, Norbert J., ist noch nicht da. Er kommt erst gegen 19:30, mustert mich kurz , fragt nach meiner Ausrüstung und setzt sich dann zu seinen Bergführer-Kollegen. Nach einer eher unruhigen Nacht, ist um 4:00 Wecken. Ein kurzes Frühstück, dann raus in die Nacht. Das Abenteuer beginnt.
20.08.1991 4:30
Norbert seilt mich an und wir gehen über den 20m oberhalb der Hütte liegenden Bergrücken zum Einstieg. Dieser Teil ist nicht ohne, da man sich über Ketten hochhangeln muss. Sehr schnell wird mir warm, aber es klappt ganz gut.
Nach dem Einstieg folgt ein Zick-Zack-Weg der sich steil in der Ostwand hochzieht. Noch werden die Hände nicht benötigt. Vor uns sind die Stirnlampen der Seilschaften zu sehen, die eher aufgebrochen sind. Die umliegenden Berge sind noch nicht zu erkennen. Bald werden auch die Hände benötigt, aber ich bin überrascht, wie einfach das bisher ist. Meistens gehen wir gemeinsam, nur an kritischen Stellen geht Norbert vor und wenn er einen guten Stand hat, lässt er mich nachkommen. Die Kletterei klappt ganz gut, man muss nur aufpassen, weil der Fels ist von den vielen Tritten glatt und abgeschliffen ist. Gegen 1/2 7:00 wird es hell, so das wir die Stirnlampen ausschalten können. Gegen 7:00 haben wir die Solvay-Hütte auf 4000 m Höhe erreicht. Wir machen eine Pause und genießen die Aussicht auf das Monte-Rosa-Massiv. Wir haben “nur” noch 470 Meter zu klettern, aber die haben es in sich.
Nach der oberen Moseley-Platte muss ich die Steigeisen anlegen und wer das Klettern mit diesen schweren Dingern kennt, kann nachfühlen, dass ich mehrfach laut und deutlich fluche. Aber ohne Eisen geht es nicht, der Fels ist teilweise von einer dünnen Eisschicht überzogen ! Es geht stetig nach oben und die Luft wird merklich dünner.
Die Schulter: Eine Passage, die einem Dachfirst sehr ähnlich ist. Ich habe (links die Ostwand ) und (rechts die Nordwand ) „Luft“ unter den Füßen wie man so schön sagt. Hätte ich das vorher gewusst .....
Die Fix-Seile : Diese Seile helfen über eine Stelle hinweg, die sehr schwierig ist. Und hier bin ich richtig fertig, die Höhe, die Anstrengung, das ungewohnte Gehen mit den Steigeisen: Ich will umkehren aber außer einem „ Stell dich nicht so an „ höre ich von Norbert, er ist mittlerweile ca. 10m über mir, nichts. Er zieht mich über eine sehr steile Stelle einfach hoch. Ich verschnaufe etwas und sehe, dass wir schon am Gipfelaufbau, einem Schneefeld , sind. Es sieht von unten wesentlich steiler aus als es in Wirklichkeit ist. Wir gehen auf einem Zick-Zack-Weg nach oben.
Um 8:59 stehen wir auf dem Gipfel des Matterhorn! Ich bin etwas kaputt und begreife gar nicht recht, das ich oben bin. Der Gipfel ist ein sehr schmaler Schnee-Grat, der sich von der Schweiz nach Italien hinzieht. Eine Passkontrolle gibt es nicht. Der Schweizer Gipfel ist ca.1m höher als der Italienische. Wir haben Glück, es ist keine andere Seilschaft auf dem Gipfel, so dass wir die herrliche Aussicht allein bewundern können. Auf dem italienischen Gipfel ist mehr los. Norbert macht ein Photo von mir und wir setzen uns in den Schnee. Was ich empfinde ? Nicht viel, ich bin zwar oben auf 4476,5 m und freue mich auch aber begreifen tue ich es nicht. Ich mache Photo’s in alle Richtungen. Unter uns, Richtung Italien, die Südwand. Im Westen, zum Greifen nahe, der Mt. Blanc. Im Norden die Dent Blanche, das Weißhorn und die anderen Walliser Berge wie Dom, Täschhorn, Rimpfischhorn, die Monte Rosa Kette ganz weit hinten der Ortler.

Nach 20 Minuten drängt Norbert zum Aufbruch. Wir machen uns an den Abstieg. An den Fix-Seilen gibt es einen kleinen Stau den wir relativ schnell überwinden. Ich frage Norbert, wo die Absturzstelle von 1865 liegt. „ Dort in der Nordwand „ erklärt er mir. Unsere Route führt etwas anders und ist durch die Seile wesentlich entschärft. Norbert hat es eilig, er seilt mich häufig ab. Das Abseilen macht mir großen Spaß, einige Passagen unterhalb der Schulter genieße ich .
Oberhalb der Solvay-Hütte kann ich die Steigeisen endlich abschnallen. In der Hütte machen wir eine kurze Pause und dann geht es weiter abwärts. Die Hörnli-Hütte ist klar zu sehen, aber sie kommt nicht näher! Der Weg ist manchmal nicht ganz ohne, man muss höllisch auf Steinschlag aufpassen. Einmal ist man durch die nachfolgenden Seilschaften ( oder Einzelgänger ) gefährdet und dann muss man selber obacht geben keine Steine loszutreten.
13:30 habe ich es geschafft : Wir sind wieder auf der Hörnli-Hütte. 2 Schweizer Bergführer, die uns irgendwann überholt haben, gratulieren mir mit den Worten : „ Gut gemacht „ Ich bin sehr stolz und trinke in der Hütte ein Bier auf mein Wohl. Norbert bekommt seinen Lohn, er hat sich mittlerweile schon die Hüttenschuhe angezogen, ( morgen macht er die nächste Tour ) ich packe meine Sachen und mache mich auf Weg ins Tal. Unterhalb des Hirli kommt mir meine Frau entgegen, wir hatten uns so verabredet. Ich schreie so laut ich kann :
Ich hab es geschafft !

Und jetzt im Nachhinein ? Ich denke die Tour auf das Matterhorn war zum Großteil eine Frage des Wollen. Zum Zweiten auch eine Sache der Unbekümmertheit, ich habe nicht überlegt was alles kommen könnte. Das heißt nicht, das ich das Horn unterschätzt habe! Beileibe nicht, nur Passagen wie die Schulter, die Fix-Seile die auch klettertechnisch nicht ohne sind, kannte ich ja vorher nicht. Natürlich ist es auch eine Frage der Kondition und der Technik ( Gehen mit Steigeisen, Abseilen usw. )
Leider ist es mir heute aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr möglich solche Touren zu machen. Ich bedauere das sehr und kann nur jedem der ein solches ( oder ähnliches ) Ziel hat : Tue es. No risk, no fun 

hsa